Säkularisierung

In politischer Beziehung ist der Spessart bis zum Beginn des 19. Jh. kirchlicher Besitz geblieben. Vergleichsweise nur geringe Teile des großen Waldgebietes standen im Eigentum reichsunmittelbarer Geschlechter, denen einzelne Gebiete durch Schenkungen oder auf andere Weise zugefallen waren. Erst die Säkularisation im Jahre 1803 machte den bis dahin unangefochtenen kirchlichen Ansprüchen auf Landbesitz und weltliche Machtansprüche ein Ende. Durch eine Entscheidung des Wiener Kongresses (1814/15) gelangten die bisher zu den Bistümern Mainz und Würzburg gehörenden Spessartgebiete zum Königreich Bayern. Der nördliche Vorspessart mit Ausnahme von Alzenau kam zu Hessen-Kassel, 1866 zu Preußen und ist heute ein Bestandteil des Landes Hessen.

Verarmung und Industrialisierung

Obwohl das 19. Jahrhundert im Wesentlichen durch eine friedliche Entwicklung geprägt war – Gründe waren die aufkommende Industrialisierung und eine allmähliche Steigerung des allgemeinen Wohlstandes – brachte diese Zeit für die Menschen im Spessart in sozialer Hinsicht keinen spürbaren Fortschritt. Bergbau, Glasproduktion und Eisenhämmer konnten mit den neuen Industriezentren in den Ballungsräumen nicht mithalten und verloren an Bedeutung. Die Forst- und Landwirtschaft auf den kargen Böden konnte die wachsende Bevölkerung kaum ernähren. Entsprechend erlebte der Spessart im 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine Periode tiefer Armut, die z.B. vom Arzt Rudolf Virchow 1952 eindrücklich beschrieben wurde („Die Noth im Spessart“). Viele Familien wanderten daher aus oder verlegten ihren Wohnsitz in aufkommende Industriegebiete fernab ihrer angestammten Heimat.

Erst nach den beiden Weltkriegen wurden auch im Spessart bzw. an dessen Rand verstärkt Gewerbe- und Industriebetriebe errichtet, z.B. im Bereich der Bekleidungsindustrie. Hier fanden immer mehr Menschen Lohn und Brot. Dank dieser Entwicklung konnte - trotz zusätzlicher Flüchtlingsströme aus den deutschen Ostgebieten - die Notlage der Spessartbewohnenden weitgehend gemildert werden.

Rückgang der Landwirtschaft

Die positive Entwicklung von Gewerbe und Industrie sowie der Ausbau der Verkehrswege führte ab den 1950er Jahren zu einem starken Rückgang des Ackerbaus und der Viehaltung im Spessart. Viele Äcker wurden aufgegeben oder in Grünlandflächen umgewandelt. Wenig rentable Wiesen und Weiden verbrachten oder wurden aufgeforstet. Die ehemals intensive Nutzung der Wässerwiesen wurde sukzessive eingestellt. Damit verloren auch alte Gemeinderechte an Bedeutung, z.B. das Recht der Bevölkerung auf Sammeln von Laub und Streu in den Wäldern.

Fertigung in der Kleiderfabrik Kunkel & Amrhein in Leidersbach um 1955 (Historischer Verein Leiderbach)

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Touristische Entwicklung

Parallel nahm die Bedeutung des Tourismus in der Region zu. Orte wie Lohr a.Main, Gemünden a.Main, Heigenbrücken, Heimbuchenthal und Bad Orb entwickelten sich zu Erholungsorten. Es entstanden vielerorts Hotels, Pensionen und Campingplätze. Das Auto kam als attraktives Transportmittel auf. „Steig aus und wandere“ lautete damals die Devise.

Doch der wachsende Tourismus hatte auch seine Schattenseiten: ungebremste bauliche Entwicklung, die steigende Verkehrsbelastung, Vermüllung und Verlärmung wurden zunehmend zum Problem.

Geburtsstunde des Naturparks

Zum Schutz der Landschaft und um die touristische Entwicklung in geregelte Bahnen zu lenken, erließ die Regierung von Unterfranken 1956 eine Verordnung zum Schutz der Landschaft. Drei Jahre später wurden dann weite Teile des Mainvierecks als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Im Jahre 1960 erhielt dieses Gebiet den Status eines Naturparks - als erstes in Bayern und eines der ersten in Deutschland.

Für den neuen Naturpark wurde 1961 unter Federführung der Landes- und Bezirksregierung ein Gesamtentwicklungsplan aufgestellt. Hauptverantwortlicher war der Bezirksplaner Konrad Bildstein, dem die Zukunft des Spessarts sehr am Herzen lag. Mit seinem Entwicklungsplan schuf er die Grundlage für die Naturparkarbeit zu Pflege und Erhalt der Landschaft.

Die Umsetzung sollte ein Trägerverein übernehmen - der Naturpark Spessart e.V. Dieser wurde in Aschaffenburg am 31.Oktober 1963 von sieben Landkreisen und den zugehörigen Kommunen gegründet und am 3. Januar 1964 ins Vereinsregister eingetragen.

1963 wird der Naturpark Spessart e.V. gegründet. in seinem Wappen trägt er den Specht

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Mit dem Spessart ist ein Gottesgeschenk in unsere Hand gegeben, das unserer ganzen Aufmerksamkeit und liebvollen Betreuung bedarf, wenn wir selbst seiner Segnung teilhaftig werden und vor der kommenden Generation durch die Weitergabe eines gut verwalteten Erbes bestehen wollen.

Regierungspräsident Dr. Günder 1962

Naturpark im Wandel

Mit dem Wandel von Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Wirtschaft und Verkehr im Spessart haben sich auch die Aufgaben, Strukturen und Arbeitsweisen des Naturpark-Vereins verändert.

In den 1960ern und 1970ern stand die Schaffung und Unterhaltung von Erholungseinrichtungen im Vordergrund. Der Spessart wurde regelrecht mit Parkplätzen, Freizeitanlagen, Schutzhütten und Bänken „möbliert“. Die große Zahl an Einrichtungen brachte aber auch Probleme mit sich. Vandalismus, Vermüllung und steigende Unterhaltungskosten führten dazu, dass das Angebot an Freizeitanlagen in den 1980ern wieder reduziert wurde.

Gleichzeitig rückte der Naturschutz stärker in den Fokus. Neue Naturschutzgebiete sollten sensible Biotope vor den Besuchermassen schützen, z.B. im Sinntal und im Hafenlohrtal. In den Landkreisen entstanden zudem die ersten Landschaftspflegeverbände.

Auch die Umweltbildung gewann in den 1980ern und 1990ern an Bedeutung. Neue Lehrpfade, interaktive Erlebnispfade sowie Besucherzentren vermitteln Natur- und Umweltthemen. Ab 1998 bringen zertifizierte Naturparkführer Besuchern und Einheimischen die Vielfalt und Schönheit des Spessarts näher.

Seit einigen Jahren beschäftigt sich der Naturpark zudem verstärkt mit Fragen einer nachhaltigen Regionalentwicklung. Der länderübergreifenden Zusammenarbeit kommt hierbei eine immer wichtigere Rolle zu.

Knapp 60 Jahre nach Gründung sind die Aufgaben des Naturparkvereins vielfältig wie nie. Und auch die zukünftigen Jahrzehnte werden sicherlich neue Aufgaben und Herausforderungen mit sich bringen, denen wir uns gemeinsam mit unseren Partnern stellen werden.